Kirchlich heiraten

Liebt einander, doch macht die Liebe nicht zur Fessel

Texte zum Nachdenken und zur Danksagung

Wir trauen uns – zu einem gemeinsamen Weg

Gemeinsam auf dem Weg sein,
einen eigenen Weg finden,
vom gewöhnlichen Weg abweichen,
manchmal Umwege gehen,
den Weg weiterträumen,
andere mit auf den Weg nehmen,

seinen Weg vor Gott stellen,
sich vor Gott stellen,
Gott in die Beziehung einlassen,
Gott ist mit uns auf dem Weg,
Zeichen sein,

gemeinsam, verbunden, miteinander Halt haben,
sich stützen,
Halt geben,
zusammen und doch verschieden,

den Alltag leben,
Montag, Dienstag, Mittwoch ... ,
Feste feiern,
Hoch-zeiten haben,

einen Baum pflanzen,
Frucht sein,
füreinander und mit anderen,
ein Zuhause gründen,
Heimat finden, sich niederlassen,
weitergehen,

sich zusagen:
Wir sind gemeinsam auf dem Weg.

Eva Polednitschek-Kowallick

Ein guter Anfang

Mit uns hat es einen guten Anfang genommen.
Wir haben uns auf das Abenteuer unserer Liebe eingelassen.
Dieser Anfang ist unser Startkapital; es wird sich vermehren.

Die Zeit vergeht, und unser Miteinander bekommt eine Geschichte:
Mal stehen wir eng beieinander, mal gibt es viel Raum zwischen uns.
Mal stehen wir Rücken an Rücken,
dann wieder von Angesicht zu Angesicht.
So wie am Anfang wollen wir immer wieder zueinanderstehen.

Wir stehen zueinander mit unseren Liebenswürdigkeiten
und mit unseren Ecken und Kanten.
Heute stehen wir, Seite an Seite,
miteinander vor Gott.
Es nimmt einen guten Anfang mit uns.

Beate Meintrup

Von der Ehe

Dann sprach Almitra abermals und sagte:
Und was ist mit der Ehe, Meister?
Und er antwortete und sprach:
Ihr wurdet zusammen geboren, und ihr werdet auf immer zusammen sein.
Ihr werdet zusammen sein, wenn die weißen Flügel des Todes eure Tage scheiden.
Ja, ihr werdet selbst im stummen Gedenken Gottes zusammen sein.
Aber lasst Raum zwischen euch,
Und lasst die Winde des Himmels zwischen euch tanzen.
Liebt einander, aber macht die Liebe nicht zur Fessel:
Lasst sie eher ein wogendes Meer zwischen den Ufern eurer Seelen sein.
Füllt einander den Becher, aber trinkt nicht aus einem Becher.
Gebt einander von eurem Brot, aber esst nicht vom selben Laib.
Singt und tanzt zusammen und seid fröhlich, aber lasst jeden von euch allein sein,
So wie die Saiten einer Laute allein sind und doch von derselben Musik erzittern.
Gebt eure Herzen, aber nicht in des anderen Obhut.
Denn nur die Hand des Lebens kann eure Herzen umfassen.
Und steht zusammen, doch nicht zu nah:
Denn die Säulen des Tempels stehen für sich,
Und die Eiche und die Zypresse wachsen nicht im Schatten der anderen.

Aus: Khalil Gibran, Der Prophet. Übersetzt von Karin Graf© Patmos Verlag in der Schwabenverlag AG, Ostfildern 2014. www.verlagsgruppe-patmos.de

Glück‑Wunschdenken

Wir wünschen euch ZEIT.
Die Zeit, die ihr braucht,
und die Zeit, die ihr habt,
die Zeit, die vergeht,
und die Zeit, die euch bleibt,
die Zeit für euch selber
und die Zeit zu zweit.

Wir wünschen euch LIEBE.
Die Liebe, die ihr gebt,
und die Liebe, die ihr bekommt,
die Liebe, die ihr fühlt,
und die Liebe, die ihr wollt,
die Liebe des Anfangs
und die Liebe des Endes.

Wir wünschen euch STREIT.
Den Streit, der euch fordert,
und den Streit, der euch fördert,
den Streit, der euch enttäuscht,
und den Streit, der euch aufklärt,
den Streit um Nähe
und den Streit um Distanz.

Wir wünschen euch GLAUBEN.
Den Glauben an euch selbst
und den Glauben an den anderen,
den Glauben, der euch Mut macht,
und den Glauben, der euch tröstet,
den Glauben an die Zukunft
und den Glauben an Gott.

Wir wünschen euch FREIHEIT.
Die Freiheit, die euch entfesselt,
und die Freiheit, die euch bindet,
die Freiheit, die euch ablöst,
und die Freiheit, die euch erlöst,
die Freiheit zum Ich
und die Freiheit zum Du.

Wir wünschen euch FREUDE.
Die Freude, die euch versetzt,
und die Freude, die sitzenbleibt,
die Freude, die ihr euch macht,
und die Freude, die euch gemacht wird,
die Freude aneinander
und die Freude am Leben.

Wir wünschen euch ZÄRTLICHKEIT.
Die Zärtlichkeit, die euch aufwärmt,
und die Zärtlichkeit, die euch warmhält,
die Zärtlichkeit, die euch einfängt,
und die Zärtlichkeit, die euch auffängt,
die Zärtlichkeit des Spiels
und die Zärtlichkeit des Ernstfalls.

Wir wünschen euch FREUNDE.
Die Freunde, die ihr mögt,
und die Freunde, die euch mögen,
die Freunde, die ihr braucht,
und die Freunde, die euch brauchen,
die Freunde von früher
und die Freunde von später.

Conrad M. Siegers

Inschrift

Sag
in was
schneide ich
deinen Namen?

In den Himmel?
Der ist zu hoch
In die Wolken?
Die sind zu flüchtig

In den Baum
der gefällt und verbrannt wird?
Ins Wasser
das alles fortschwemmt?

In die Erde,
die man zertritt
und in der nur
die Toten liegen?

Sag
in was
schneide ich
deinen Namen?

In mich
und in mich
und immer tiefer
in mich

Erich Fried
Inschrift. Aus: Ders., Lebensschatten © 1981, 2001 Verlag Klaus Wagenbach, Berlin

Trauung feiern

Wo wir mit Freunden
zusammenkommen,
um mit ihnen zu feiern,
da wird Gottesdienst.

Wo wir unserer Freude Ausdruck geben,
wo wir singen, danken, loben,
da wird Gottesdienst.

Wo wir unseren Sorgen Ausdruck geben,
wo wir trauern, fragen, suchen,
da wird Gottesdienst.

Wo wir unserer Hoffnung Ausdruck geben,
dass unser Leben einen tieferen Sinn hat,
da wird Gottesdienst.

Wo wir unser eigenes Leben
zur Sprache bringen,
unser Leben vor Gott hintragen,
damit er uns wandle,
da wird Gottesdienst.

Pierre Stutz, Thomas Merz-Abt
Aus: Stutz, Pierre /Merz-Abt, Thomas: Trauung feiern, Ehe-Werkbuch mit Gottesdienstmodellen, 2. Auflage 2006, rex Verlag luzern

rudern zwei

rudern zwei
ein boot,
der eine
kundig der sterne,
der andre
kundig der stürme,
wird der eine
führn durch die sterne,
wird der andre
führn durch die stürme,
und am ende, ganz am ende
wird das meer in der erinnerung
blau sein

Reiner Kunze
rudern zwei. Aus: ders., Gedichte. © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2001.

Nur nicht

Das Leben
wäre
vielleicht einfacher
wenn ich dich
gar nicht getroffen hätte

Weniger Trauer
jedes Mal
wenn wir uns trennen müssen
weniger Angst
vor der nächsten
und übernächsten Trennung

Und auch nicht so viel
von dieser machtlosen Sehnsucht
wenn du nicht da bist
die nur das Unmögliche will
und das sofort
im nächsten Augenblick
und die dann
weil es nicht sein kann
betroffen ist
und schwer atmet

Das Leben
wäre vielleicht
einfacher
wenn ich dich
nicht getroffen hätte
es wäre nur nicht
mein Leben

Erich Fried

Nur nicht. Aus: Ders., Es ist was es ist © 1983, 1994 Verlag Klaus Wagenbach, Berlin